Chantal und Annett Renneberg gestalten mitreißenden Abend in Nieder-Olm

Wohlklang als Dreh- und Angelpunkt

13.10.2010 – NIEDER-OLM

Von Klaus Mümpfer
Foto: hbz/Stefan Sämmer

VENEZIANISCHE NACHT: Chantal und Annett Renneberg gestalten mitreißenden Abend in Nieder-Olm

Mitten auf Venedigs Rialto-Brücke sinniert Commisario Guido Brunetti, dass die venezianischen Baumeister Großartiges geschaffen hätten. Die Erkenntnis von Donna Leon´s Romanfigur trifft auch auf die Künstler der „Venezianischen Schule“ in der Frühzeit des Barocks zu, in der vor allem Antonio Vivaldi mit seinen sakralen und konzertanten Werken sowie Opern tonangebend war. Kein Wunder, dass das Ensemble Chantal bei der Auswahl seiner Stücke für eine „Venezianische Nacht“ diesen Komponisten in den Mittelpunkt stellt. Stimmig ist die Interpretation von Vivaldis „La Notte“ mit nahezu grazilem Ton, mit einem vibratoreichen Flötensolo, den präzisen Einsätzen mit nahtlosen Tempowechseln vom sanften Adagio zum nahezu swingenden Allegro. Faszinierend gelingt die Übergabe des Themas von der Flöte zum Englischhorn sowie das Klangfarbenspiel der ungewöhnlichen Instrumentalbesetzung. Der reinen Ästhetik verpflichtet sind die filigranen Akkordfolgen des Gitarrensolos in Vivaldis „Andante“ so wie der Interpretationsstil Chantals, der Harmonie und Wohlklang zum Dreh- und Angelpunkt erkoren hat.

Es sind vor allem die Sounds, die den in der Regel notengetreuen Interpretationen, mit allerdings ergänzenden Instrumentalstimmen, einen besonderen Reiz verleihen. Es sind die Kombinationen von Flöten mit Oboe und Englischhorn, von Cello,Violine mit zwölfsaitiger sowie Oktavgitarre, mit denen der künstlerische Leiter Michael Hofmann der Musik Chantals einen eigenständigen und unverwechselbaren Klang ermöglicht.

Sanft wie die Musik ist die Stimme der Schauspielerin Annett Renneberg, fein abgestuft in der Nuancierung und Dynamik und dennoch trefflich in der Charakterisierung der Personen, die sie in den Texten Donna Leons sprechen lässt. Commisario Brunetti, dessen Frau Paola, Vice-Questore Patta und die Sekretärin Signorina Elletra, deren Rolle Renneberg in den Verfilmungen der Venedig-Krimis so überzeugend spielt. Kritiker haben der Autorin zuweilen vorgeworfen, dass das kriminalistischen Sujet oftmals hinter den Schilderungen familiärer Ereignisse und Beziehungen zurücktrete. In der Lesung empfindet es der Zuhörer als angenehm, dass Renneberg gerade diese personenbezogenen Facetten und Schilderungen des Flairs der Stadt ausgewählt hat.

So sitzt die zierliche Schauspielerin an einem nur vom Kerzenschein erhellten Tisch auf der Bühne der gut besuchten Ludwig-Eckes-Halle in Nieder-Olm, streicht sich von Zeit zu Zeit eine widerspenstige Strähne des langen Haares aus dem Gesicht und liest flüssig sowie ohne übertriebene Gestik Schilderungen von Venedigs Kanälen, des Besuches Schweizer Kriminalisten, eines morgendlichen Sonntags in Brunettis Wohnung oder des Besuchs eines Beamten der Grundbuchverwaltung.

Begonnen hatte die „Venezanische Nacht“ allerdings mit einer zeitgenössischen Komposition der kanadischen Folk-Komponistin Loreena McKennit, die keltische, irische und orientalische Motive in ihrer Musik verschmilzt. In dunkelblauem Gewand und venezianischer Augenmaske singt Renneberg, die Regisseur Zadek zum Beginn ihrer Karriere für eine Sprech- und Singrolle bei den Salzburger Festspielen eingesetzt hatte, sanft und geheimnisvoll McKennitts Song „La Serenissima“. Frenetisch umjubelt verabschiedet sie sich schließlich gemeinsam mit Chantal mit einem anrührend vorgetragenen „Time to say good bye“.